… Sie hielt vor dem großen Tor des Kreuzherrenklosters. „Hier soll er also stattfinden, der Hansetag, und noch im diesem Jahr“ dachte sie. Von ihrem Vater, der ihr immer wieder gerne auch von seine Reisen erzählte, wusste sie, dass man das Jahr 1567 schrieb. „Ein echter Hansetag in ihrem geliebten Emmerich“, staunte sie. Aber eigentlich konnte sie es nachvollziehen, denn durch vielfältige Handelsbeziehungen hatte es die Hansestadt Emmerich zu viel Reichtum gebracht, sodass immer mehr Prachtbauten entstanden. Mittlerweile sprach man schon in anderen Städten vom „Embrica decora“ - dem prächtigen Emmerich.
Sie trat durch den Torbogen in den Hof des Klosters ein, schwer bepackt mit einem großen Korb voll frisch gefangener Fische aus dem Rhein. „Wohin des Weges, Junge Dame?“ tönte eine dunkle aber durchaus freundliche Stimme über den Hof. Es war Pater Anselm, Prior und damit Ordensoberster. „Ich bringe frischen Salm“, erwiderte sie und wandte sich Anselm zu. “Schönen Guten Morgen Herr Prior“. „Dann komme mal mit in die Küche, die anderen warten schon auf dich. Am besten, wir nehmen die Abkürzung durch den Pfarrsaal“. Sie folgte ihm. Was war das düster hier. Aber die vielen Gemälde an der Wand waren dennoch gut zu erkennen. „Wer ist das denn alles“ fragte sie Anselm. „Das sind meine Vorgänger“. „Und wo hängt ihr Porträt?“. „Das fehlt noch“. Anselm war vor drei Jahren von seinen Mitbürgern zum Prior gewählt worden, aber er hatte bisher keine Zeit gefunden, sich malen zu lassen. Viel wichtiger war ihm, sich um die vielen Menschen zu kümmern, die das Emmericher Kreuzherrenkloster aufsuchten: Pilger, Ritter, Arme und vor allem auch Kranke. Nicht umsonst verband alle Kreuzherrenklöster der Spruch „In Cruce Sales“ - Im Kreuz ist Heil. Und jetzt musste auch noch der Emmericher Hansetag vorbereitet werden. Anselm und seine Ordensbrüder hatten diesbezüglich noch viel vor: den Chorraum der Kirche renovieren, eine zusätzliche Glocke gießen lassen, die Gärten des Klosters mit einer Umfriedung versehen. 18.000 Reichstaler hatte man dafür angespart. Das Kloster war mittlerweile über 100 Jahre alt und man wollte den ersten Hansetag in Emmerich gebührlich feiern. Mittlerweile waren sie in der Küche angekommen. Sie übergab den Korb mit den Fischen dem Koch und machte sich wieder auf den Rückweg…..